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Nein, ich muss nicht um Charlie Kirk trauern

Interviewers

Es war einmal – und ist immernoch – eine Diskussionskultur besetzt von Polemik und Möchtegernmoralisten. Guten Tag, hier komme ich ins Spiel…

Der Mord an dem ultrarechten Youtuber Charlie Kirk hat in der vergangenen Woche ein Inferno an Diskursen entflammt. Während Anhänger der Jungen Union und der CDU, AfD-Mitglieder und andere Rechte um ihren rechten Influencer trauern, sieht es auf der linken Seite ganz anders aus. Manchen ist der Tod Kirks schlicht egal, empfinden keine Empathie, andere reagieren mit Sarkasmus und Häme. Zugleich startete eine hitzige Debatte, ob man denn nun Trauern müsse, oder gar respektvoll mit Kirk umgehen müsse. Das ist selbstverständlich heruntergebrochen, als ob Diskurse heutzutage so nüchtern geführt würden. Und ich denke mir, ich kippe auch nochmal etwas Kerosin in den schon brennenden Öltank.

Also, muss man um einen rechtsradikalen wie Kirk trauern? Natürlich nicht! Ich mache es einfach ganz kurz und schmerzlos – ich führe das Argument, man müsse um ihn trauern, einfach mal ad absurdum…

„Ich trauere bis heute um Goebbels. Den Tod hat der Mann einfach nicht verdient! Er hat doch nur Hasspropaganda verbreitet, die zur Vernichtung von mehreren Millionen Juden geführt hat. Er war ja auch nur ein Mensch.“ Und Charlie Kirk war eben das. Ein Miniatur-Goebbels der Moderne. Das Sprachrohr eines Faschisten, der für Mord die Todesstrafe fordert. Während Kirk selbst Abtreibung als Mord einstuft und im gleichen Satz den Holocaust relativiert. Müsste man dann nicht unschuldige Frauen und Ärzt*innen hinrichten? Das wäre zumindest konsequent und logisch schlüssig.

Wie eine jüdische Stimme einen Holocaustrelativierer schützt

Der Instagram Kanal „Jews of Berlin“, eine Organisation von Menschen jüdischen Glaubens in der Hauptstadt der Republik, veröffentlichte heute eine Kurzreaktion auf den Talk zwischen Caren Miosga und Heidi Reichinnek. In der Talkshow erklärt die Linke Fraktionsvorsitzende, warum sie nicht um Kirk trauere. „Jews of Berlin“ ist empört. Wie könne sie nur so respektlos sein? Gleichzeitig wird behauptet, Kirk würde zulässige demokratische Standpunkte vertreten. Klar, wenn Faschismus, die Relativierung des Holocausts und die Billigung von Todesopfern durch extreme Waffengewalt demokratisch ist, dann kann man das wohl so sehen.

Auch wenn der Kritikpunkt, Heidi verbreite Desinformation über die politischen Ansichten des Kirk-Hitmans, tatsächlich Stichhaltig ist, ist es ironisch, dass sich eine jüdische Stimme schützend vor rechtsradikale stellt. Ist ja eigentlich auch egal – so wie die Opfer von Kirks menschenverachtender Rhetorik.

Dass ich genau diesen Account aufgreife, liegt nicht an Religion, sondern an der Absurdität: Eine Stimme, die aus jüdischer Perspektive spricht, stellt sich vor einen rechtsradikalen Holocaustverharmloser. Mehr Ironie geht nicht.

Keine Kugel, aber ein Gedanke

Nun abschließend zu meiner Position: Ich trauere nicht um Kirk. Werde ich auch nicht. Das einzige, was mir durch den Kopf ging, war – anders als bei Kirk – keine Kugel, aber ein Gedanke: Wer trauern will und kann, soll das tun. Aber ich werde nie Empathie für einen Täter heucheln.